Dienstag, 20. September 2011

Das Röhren der Hirsche

Vorwort:
Es geht auch ohne. Ohne getarntem Blei, ohne 2,645cm auftreibendem Popup, ohne Fluorcarbonschnur, ohne 360°Grad-Rig oder Ähnlichem, ohne zu wissen, aus welcher Richtung der Fisch kommt oder in welche Richtung er flüchtet, bei jedem Wetter, jeder Windrichtung und egal wie der Mond steht. Also einfach ohne Hirnwichserei. Gutes Material, guter Köder (an dieser Stelle ein Kompliment nach Karlstein D), dem besten Angelpartner und es fehlt nichts, was man für ein paar schöne Tage am Wasser und etwas Erfolg braucht. Und fast hätte ich’s vergessen – wenn man schreibfaul ist, sollte man jemanden haben, der die Aufgabe übernimmt. Daher ein Danke, an meinen Junior, der den Job mit folgenden Zeilen übernommen hat.

Kurt

Es war mal wieder so weit. Die alljährliche, mittlerweile zur Tradition gewordene, Rainer-Clan-Session stand vor der Tür. Bepackt mit dem restlichen Tackle rollte der oftmals geschändete alte Citroen Evasion besetzt mit seiner ehrwürdigen grauen Eminenz, Kurz, und meiner Wenigkeit in Richtung city of roundabouts.
Die vergangenen 2 Jahre weigerte ich mich, mit Ausnahme einiger kurzer Fotosessions, auch nur in die Nähe der Tullner Au zu kommen. Das Gelsenaufkommen, besonders im vergangenen Jahr, glich einer Schlacht gegen eine Übermacht an mutierten Kampfinsekten, die jedem, auch nur erdenklichem, Abwehrmittel trotzten.
Da dieses Jahr wenig Zeit und Motivation für eine vernünftige Auslandsplanung überblieb und auch das Geldbörserl mehr Zierde als Zweck in meiner Hosentasche verrichtete, ließ ich mich dazu hinreißen doch einmal die sagenumwobene Jungfrau herzureißen und stellte mich auf einen 7-Tage-Daueraufenthalt in meinem Bivvy ein, welches ich nur zum Stoffwechsel und evtl. zum Drillen eines Karpfens verlassen wollte.
Wider Erwarten musste ich bei der Ankunft feststellen, dass sämtliche blutsaugende Fehlauswüchse der Evolution anscheinend das Feld geräumt hatten und auch die Temperaturen mit meinem Urlaubsfeeling konform gingen.
Da mein, in die Tage gekommener, Erzeuger, bereits das Wochenende zum Kugelbaden ausnutzte und dabei gleich einen Rüssler der 15+ Kategorie auf die Matte legen konnte war ich natürlich umso mehr motiviert. Auch wenn es ja grundsätzliche keinen Wettkampf zwischen Vater & Sohn geben sollte, hatte ich schon das Gefühl ein wenig nachlegen zu müssen, um nicht die gesamten 7 Tage überhebliche Sprücheklopferei über mich ergehen lassen zu müssen.

Überaus zuvorkommend wurden mir die aussichtsreicheren Spots überlassen welche zuvor vom Glücksbrunzer N°1, Schurli-Onkel, erkundet wurden.

Bereits am ersten Abend musste ich feststellen, dass ein Großteil der Tullner Au nicht umsonst als Jagdgebiet deklariert wurde. Abgesehen von einigen Wildschweinen, welche direkt hinter unserem Aufenthaltsplatz ihr Unwesen trieben und für den einen oder anderen Furchttropfen in der bis dato so unversehrten Unterhose verantwortlich waren, trieben sich auch eine Vielzahl an brunftigen Hirschen in der näheren Umgebung herum. Da wir nicht im Beisein von Damen waren, wurde es zu meinem erklärten Ziel diese Laute nachzuahmen, wobei sich herausstellte, dass dies nach dem Verzehr eines mit Kohlendioxid angereichertem Hopfen-Malzgetränk weitaus einfacher und professioneller zu bewerkstelligen war.

Da ich mich bereits nach wenigen Übungseinheiten als Koryphäe der oralen Lautentwicklung entpuppte, machte sich die Befürchtung breit als potenzielles Vergewaltigungsopfer einer dieser Geweihträger zu dienen. Unbeeindruckt von dieser Vermutung verteidigte ich furchtlos mein Revier und machte mir als Platzhirsch am Virgin-Lake einen Namen. Am nächsten Morgen konnte ich bereits einer Hirschkuh an einem meiner Uferspots beim Trinken zusehen, was ja nun mein Können nur zu Genüge unter Beweis stellte.

Nebenbei konnte an diesem Morgen gleich meinen ersten Karpfen aus der Satzkarpfen-Gilde keschern. Für mich ein durchaus passabler Schuppenträger, für meinen Oidvoda, der ja bereits seit 2 Jahren dieses Gewässer befischte, eher unbeeindruckend.


Da ich unter Tags mehr den Weisheiten meines Vaters, als den Bissanzeigern, lauschen musste, beschloss ich, dem Unterwasserbewacher meines Steges zu einem Meet&Greet einzuladen. Nachdem ich diesem dekadent, überfressenem Esox geschlagene 10 Minuten den Köder vorm Maul herumführte, ließ er sich endlich zu Tisch bitten und verschlang eher untypisch langsam den durchaus schmackhaft aussehenden Köder. Der Grund für seine Zierlichkeit sollte sich kurze Zeit später herausstellen, als sich beim Ausnehmen ein kleiner Fischkopf einer seiner Artgenossen hervortat.


Vom Hexenmeister höchstpersönlich hervorragend zubereitet wurde dieser dann zum Abendessen verspeist.



In der 2ten Nacht konnte ich dann nach aufregendem Drill ein Unterwasserschwein der massigeren Kategorie keschern. Die eigentliche Größe wurde mir allerdings erst beim Herausheben des Keschers bewusst, als ich nur durch athletische Höchstleistung einem feuchtfröhlichen Vergnügen entging.
Als die Reuben dann bei 20,4kg stehen blieb war natürlich Feierstimmung angesagt. Aber das Freudenfest sollte noch kein Ende nehmen.


Da sich nicht nur Wildschweine und Hirsche in unserer Gesellschaft wohlfühlten, erweiterte mein alter Herr seine Definition für „Hanta“ und stellte sich als ernst zu nehmender Ratzen-Hadkoa-Hanta heraus. Gleich 3 dieser allesfressenden Überlebenskünstler fielen verhängnisvollen Unfällen zum Opfer.


Der 4te Abend bescherte mir einen weiteren fetten Rüssler, welcher ein stolzes Kampfgewicht von 22,9kg auf die Waage brachte. Mit nachträglichem Fotovergleich stellte sich heraus, dass es sich doch nicht, wie anfangs vermutet, um die Teich-Hure des Sees, sondern um einen
weitaus seltener gefangenen Spiegler handelte. Mit brennendem Bizeps, schmerzendem Rücken und einem fetten, überheblichem Grinser durfte ich meinen Ausnahmefisch wieder in die verkrauteten Tiefen der, ab und zu doch nicht so verklemmten, Jungfrau entlassen.


In dieser Nacht kam auch wieder mein alter Herr zum Drücker und konnte sowohl den mittlerweile 3ten 20+ in Folge sowie einen übergewichtigen Waldviertler-Speisekarpfen mit ungenießbaren 10,1kg nachlegen.



Satte 21,2kg…was sollte uns jetzt noch die Session verderben?


Naja, man soll ja bekanntlich den Tag nicht vor dem Abend loben. Und es kam, was kommen musste. Ein silberner Opel-Bus parkte neben der, bis dato so friedlich und freundlich gewesenen Jungfrauen-Lacke. Heraus stieg ein fett grinsender mit grauem Haar bedeckter allseits unbeliebter selbst ernannter Karpfenflüsterer. Auch wenn er Pseudo-Weisheiten schneller aus dem Handgelenk schüttelt, als Jesse James seinen Revolver ziehen konnte, gibt ihm doch der Erfolg immer wieder recht.

Leider reagierten die Karpfen ebenso unerfreut über seine Anwesenheit, was sich wiederum mit einer Funkstille in den Receivern des Rainerduetts widerspiegelte. Dies sollte auch bis zum Ende der Session so bleiben. Auf Anfrage bei einem renommierten Karpfenpsychologen teilt dieser mit, dass Karpfen neben loyalem Verhalten bestimmten Personen gegenüber auch über ein sehr ausgeprägtes Schamgefühl verfügen. Die Beißflaute möge daher begründet sein, dass sich die Gelben einfach vor ihrem Flüsterer genierten, anderen Anglern an den Haken gegangen zu sein.

Die verbleibende Zeit wurde mit Fachsimpelei, Rotfedern-Zupfen, Hecht-Hatzerl und dem Grillen von totem Tier genutzt.




Lediglich Schurl konnte auf einem seiner sorgfältig ausgesuchten Uferspots, die nach dem Motto, „Do wird’s scho passen“, auserkoren wurden, einen weiteren bedeutenden Schuppler verhaften. Der anfänglich unterschätzte Gelbe brachte dann immerhin satte 16,9kg auf die Waage und sollte für eine weitere Flut an tiefgründigen Weisheiten seitens des Karpfenflüsterers sorgen.




Dennoch, eine geile Woche

Lukas

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